Zwischen den Lichtpunkten

Das Licht lockt in das Hinterzimmer. Zwei Beamer werfen unablässig Einzelbilder an gegenüberliegende Wände. Die in Wien und Zürich arbeitende Künstlerin Valentina Triet füllt den abgedunkelten Galerieraum mit rudimentärer Helligkeit. Straßenlaternen, Rücklichter von Autos und Lampenschirme reduzieren eine pulsierende Stadtarchitektur zu einem anonymen Muster. Es rollt, es blinkt, es taktet. Die Einzelausstellung bei Felix Gaudlitz setzt Triets kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Themen Architektur, Orientierung und Produktion fort. Sie zeigte diese oftmals als medienübergreifende Skulpturenarrangements. Hier jedoch stehen zwei loopenden Videoprojektionen im Zentrum: In der Arbeit „01/01: (Pattern as a Teacher)“ sammeln sich tanzende Leuchtkörper entlang unsichtbarer Linien. Manchmal formieren sie sich zu einem gedrängten Schwarm, dann wieder stehen sie alleine. Nur die Punti in aria – Stiche in der Luft, wie es im Ausstellungstext heißt, – verbleiben in der Dunkelheit. Ein Gefühl von Leere umspült die Punkte, doch diese Lücken sind bewusst. Trotz Auslassungen verdichtet sich die Bilderflut, die immer weiter läuft und auf die Betrachter:innen einprasselt.

Gewebestrukturen kontern die urbane Punktelandschaft. Der Lichtstrahl des zweiten Video – „02/01: (Pattern as a Teacher)“ – mischt sich in die nächtliche Szenerie. Einfache Webgeflechte, Spitzenbordüren und Zeichnungen von Häkelmaschen werden als rhythmisierte Fotogramme binnen Sekunden zu Ästen, Ketten und schließlich zu einem geordneten Raster. Durch das direkte Auflegen eines Objekts auf die Belichtungsfläche ist ein Fotogramm das Resultat des Zusammenspiels von Kontur, Distanz und Licht. In „Pattern as a Teacher“ hinterlässt diese Abbildungstechnik eine Vielzahl abwesender Präsenzen zumeist privater Textilien. Sind es Gardinen, die den Blick durch ein Fenster als Schnittstelle zum Außenraum verdecken? Ist es der Saum eines Kleids im Abendwind? Oder aber sind es in Fleisch schneidende Ketten, die an festgefahrene Verhaltensmuster binden?

Bei längerer Betrachtung der beiden Videos verdeutlichen sich die Umrisse einer körperlichen Masse. Da sind Falten, Dehnungen, Ausbeulungen, Schritte nach vorne und dann wieder zurück. Wie bei Röntgenaufnahmen werden die Bruchstellen für das geschulte Auge sichtbar. Indem Triet den verbindenden, gewöhnten Untergrund ausspart, bildet sich Raum für einen individuellen, imaginierten Körper. Seine Wahrnehmung stellt sich jedoch nicht auf Anhieb ein und läuft Gefahr, sich zu schnell zu verflüchtigen. Wer in den Projektionen jedes Einzelbild entschlüsseln möchte, verliert sich in Details und sucht ebenso erfolglos nach der nicht weiter beschriebenen Bedeutung der vier gelben Wandarbeiten, die im Entree der Galerie platziert sind. Dieser wohltuende Ausflug in die Dunkelheit speist sich aus dem Zwischenraum – aus jenen Dingen, die man nicht sieht oder nur glaubt zu sehen; aus einer implizierten Ungewissheit, die als Punktwolke im gleißenden Sonnenlicht nach Verlassen der Galerie weiter auf der Netzhaut rauscht.

(Anna Barbieri)