WIENER GALERIEN CHECK-IN #3
Von "trial and error", dem Kampf gegen herrschende Strukturen, ausbaufähiger Kommunikation und der Nadel im Heuhaufen - ein Check-in bei einigen von Wiens etabliertesten Galerien. Ein Text von Angelika Seebacher.
Gerade rechtzeitig vor der Sommerpause ging sich noch ein Check-in mit einigen von Wiens etabliertesten Galerist:innen aus, bei dem einmal mehr klar wurde, was auch in Zeiten wie diesen für sie die Hauptmotivation ist, eine Galerie zu betreiben. Den geschäftlichen Aspekt kann man nicht leugnen, aber er ist der Leidenschaft zur Kunst und dem Fördergedanken eindeutig hintangestellt. Wien als Standort wird den Anforderungen durchaus gerecht und hat großes Potential. Wichtig dabei ist, flexibel zu bleiben und Veränderungen zu begrüßen – CHALLENGING ORDERS, immer wieder aufs Neue.
GALERIE ELISABETH & KLAUS THOMAN
1977 in Innsbruck von Elisabeth und Klaus Thoman gegründet, wird die Galerie seit 2019 von ihrem Sohn Maximilian Thoman in der Wiener Seilerstätte geführt. Er ist als jüngster von drei Brüdern „in einem familiären Verhältnis mit den Künstler:innen“ der Galerie aufgewachsen, wie er erzählt. „Als Repertoire-Galerie arbeiten wir heute mit dem überwiegenden Teil der künstlerischen Positionen intensiv weiter. Das Portfolio wird nach und nach um neue Künstler:innen erweitert, wie zum Beispiel Mai-Thu Perret, Iman Issa oder Julia Haugeneder“, so Thoman. Das direkte Arbeiten mit den Künstler*innen sei dabei für ihn die größte Motivation: deren Karrieren zu fördern und mit Produktionen von Werken und Projekten weiter zu entwickeln. Dabei sei es ihm ein besonderes Anliegen, nachhaltig mit den künstlerischen Positionen umzugehen. „Aus der langen Geschichte der Galerie resultiert für mich auch die Konsequenz, mit einem historischen Blick zu arbeiten. Das heißt mit den historischen Positionen, die sich auch in der Geschichte der Galerie wieder spiegeln, verantwortungsvoll umzugehen. Immer einem Oeuvre verpflichtet und keinen Trends“, erklärt der Galerist. Als Beispiele nennt er Positionen wie Bruno Gironcoli, Franz West, Hermann Nitsch oder auch Arnulf Rainer. Einen ihrer Schwerpunkte setzt die Galerie darauf, österreichische Kunst im Ausland zu vertreten, aber ebenso international agierende Künstler*innen (u.a. Mai-Thu Perret, John Armleder, Iman Issa) in Österreich zu repräsentieren.
Als Standort für diese Aufgabe sei Wien prinzipiell ein sehr guter, der auch in den kommenden Jahren an Wichtigkeit als Kunststandort dazugewinnen werde. Eine verstärkte internationale Sichtbarkeit verlange aber auch ein Programm, das bestehen und sich entsprechende Aufmerksamkeit erkämpfen könne: „Wichtig hierbei ist, dass die Galerien in dieser Szene keinesfalls gegeneinander arbeiten bzw. sich bekämpfen sollten. Kooperationen und gemeinsames Kommunizieren ist ein viel erfolgreicheres Konzept, das in Wien sicher auch ausbaufähig wäre.“
Wodurch zeichnet sich für Thoman die Wiener Kunstszene aus? „Qualität in der Kunst ist in Wien in breitem Maße vorhanden“, so der Galerist. „Vor allem bedingt durch die Präsenz der beiden Hochschulen mit ihren Lehrenden. Das führt auch zu einem stetigen Zufluss von neuen Ideen und Konzepten.“ Problematisch sei allerdings, dass in Wien lebende Kunstschaffende, die international institutionell sehr erfolgreich sind, in Wien teilweise unbekannt seien und von den hiesigen Sammler*innen und Museen unbeachtet blieben. Diese lokale Szene zu fördern, sei der Galerie besonders wichtig. Deshalb hat Thoman gemeinsam mit seinem Team die Initiative tart.vienna ins Leben gerufen: „Seit 2020 betreiben wir in unseren Nebenräumen den Projektraum tart.vienna. Unter der Leitung von Eva Oberhofer, unserer Wiener Direktorin, wurde in den ersten beiden Laufjahren jungen lokalen Positionen die erstmalige Solo-Ausstellungsmöglichkeit in einem kommerziellen Raum geboten. Im dritten Jahr wird das Programm insofern erweitert, dass junge internationale Kurator*innen eingeladen werden, Ausstellungen zu gestalten.“
GALERIE RAUMINHALT – HARALD BICHLER
Im 4. Bezirk in der Schleifmühlgasse befindet sich die 2003 von Harald Bichler gegründete Galerie rauminhalt. Die Galerie legt ihren Schwerpunkt auf Arbeiten, die die herkömmliche Unterscheidung zwischen Design, Kunst und Architektur in Frage stellen. In Österreich wohl ein einzigartiges Konzept – und übrigens auch ganz im Sinne des heurigen Mottos der Vienna Art Week CHALLENGING ORDERS: „Wo sich Disziplinen kreuzen, entstehen Möglichkeiten“, so Galerist Harald Bichler. „Kultur ist das, was uns als Mensch ausmacht. Ohne Kultur gäbe es uns nicht so, wie wir heute sind. Das versuchen wir als Dialog zwischen den unterschiedlichen Disziplinen zu vermitteln. Evolution als Überkonstrukt ist nicht nur im biologischen, sondern auch im kulturellen Sinn zu begreifen, ebenso aus einer ständigen Veränderung, trial and error, bestehend. Diese Veränderung ist die treibende Kraft.“ In regelmäßigen Einzel- und Gruppenausstellungen werden aktuelle künstlerische Positionen in diesem Spannungsfeld präsentiert und die Möglichkeiten der Entgrenzung verschiedener Kulturbereiche aus unterschiedlichen Perspektiven zur Diskussion gestellt.
Die Galerie ist zudem auf hochwertige internationale Designobjekte des 20. Jahrhunderts spezialisiert und bietet Expertise für Sammlerdesign, zeitgenössische Skulpturen, Prototypen und ausgewählte Vintage-Möbel. Sie unterstützt Kunstschaffende, die mit ihren Arbeiten einen erfrischenden Perspektivwechsel auf unseren Blickwinkel zu Objekten bewirken. Unter dem Label „edition_rauminhalt“ bietet die Galerie Designpositionen zeitgenössischer Designer:innen und Künstler:innen, deren Gebrauchsobjekte sich durch eine besondere Skulpturalität ausweisen und die Grenzen von Design und Kunst neu definieren. Die Entwürfe kommen u.a. von Bert Löschner, Gilbert Bretterbauer, Bernhard Hausegger, Sébastien de Ganay oder Patrick Rampelotto. In Zusammenarbeit mit österreichischen Designer:innen werden zudem exklusiv für die Galerie Produkte in limitierten Editionen gefertigt.
GALERIE ERNST HILGER
Gegründet 1971, vertritt die Galerie Ernst Hilger in der Dorotheergasse im 1. Bezirk neben Künstler:innen wie Erró und Mel Ramos auch Positionen der österreichischen Moderne ab den 1960er Jahren und der wichtigsten internationalen Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts – von Pablo Picasso und Jean Dubuffet über Pop Art-Künstler wie Andy Warhol und Keith Haring bis hin zur Narrativen Figuration (Jacques Monory). Ernst Hilger war langjähriger Obmann der FEAGA und Mitglied zahlreicher Kunstmessekomitees, u.a. der Art Basel. Er war der dienstälteste Präsident des Österreichischen Galerienverbandes und hat das heutige Rollenverständnis der Galerien als Partner von Museen, Sammlern und Repräsentanten des Staates maßgeblich mitbegründet.
Treibende Kraft und Motivation seien für Hilger seit jeher vor allen Dingen das Interesse und die Neugierde an der Kunst gewesen, betont die Galerieleitung. Auch die zahlreichen Kooperationen, die Hilger im Laufe der Jahre in Österreich mit diversen Unternehmen wie Paylife, Siemens, Austrian Airlines, Unicredit oder 98.3 Superfly.fm einging, verfolgten nicht ausschließlich wirtschaftliche Interessen, sondern vielmehr das Ziel, neue Sammlungen und Ausstellungsorte für Kunst zu schaffen, die die gesamte Kunstszene bereicherten, so die Galerie.
Der Wirkungsbereich der Galerie Hilger wurde durch die Eröffnung der HilgerBROTKunsthalle 2009 in der Ankerbrotfabrik im 10. Bezirk erweitert, deren 800m2 große Ausstellungsfläche kuratorische Projekte mit lokalen Künstler:innen und Kurator:innen sowie Kooperationen mit internationalen Ausstellungshallen und Museen, wie etwa dem Museum der modernen Kunst El Salvador, der Margulies Sammlung, der Mestna Galerie Laibach, dem Museum der modernen Kunst Bukarest, der City Gallery Sofia oder dem MMoMA in Moskau ermöglichte. 2013 wurden die Räumlichkeiten im 10. Bezirk mit HilgerNEXT erweitert und 2022 folgte die Eröffnung einer weiteren Dependance der Galerie Hilger in der Ballgasse im 1. Bezirk. Schwerpunkt hier ist vor allem junge, noch nicht etablierte Kunst. Geleitet wird die Galerie in der Ballgasse von Michaela Pedratscher. Abschließend in Hinblick auf unser heuriges Motto CHALLENGING ORDERS gefragt: Wer sind ihrer Meinung nach die Entscheidungs-, Geschmacks- und Blickmacher:innen in der Kunstwelt und auf welche Weise können Galerien Künstler:innen dabei unterstützen, auf eine Diversifizierung ihrer Normen und Werte hinzuarbeiten? „Der Kampf gegen herrschende Strukturen hat schon immer stattgefunden“, so Pedratscher. „Die Mittel, Techniken und Wege unterscheiden sich. Konsequenz und Humor dürfen dabei nicht fehlen.“
LUKAS FEICHTNER GALERIE
1995 als feichtner & mizrahi gegründet, hatte die Galerie damals zwei Schwerpunkte: Zeitgenössische Kunst und antike Textilien. Seit 2000 arbeitet sie unter dem Namen Lukas Feichtner Galerie und zeigt internationale und österreichische Kunst mit Schwerpunkt auf Malerei, Fotoarbeiten, Collagen und Installationen einer jungen und innovativen Künstler:innengeneration in Gegenüberstellung mit etablierten Künstler:innen. „Dem Pluralismus in der Kunst Rechnung tragend, hat sich das Programm schon vor Jahren deutlich ausgeweitet“, so Lukas Feichtner. „Bei der künstlerischen Auswahl versuchen wir die Stecknadel im Heuhaufen zu finden, das bedeutet eine künstlerische Position die sich von allen anderen (wenn auch oft nur minimal) abhebt.“ Das Programm der Galerie wird in durchschnittlich bis zu sieben Einzelausstellungen pro Jahr präsentiert, von denen eine Auswahl von Katalogeditionen begleitet wird.
Zu den Herausforderungen, heute eine Galerie in Wien zu betreiben, zählt für Feichtner die Schwierigkeit, Sammler:innen, Kurator:innen und Museumsleute für junge Positionen zu begeistern: „Es wird zu sehr nach „Sicherheit“ gesucht“, meint der Galerist. Um die arrivierten Künstler:innen „der Zukunft“ aufzubauen, brauche man schon frühzeitig positives Feedback.
An Wiens Kunstszene schätzt Feichtner die große Dichte an Kunsträumen, Galerien und offenen Studios: „Die Vielfalt, Neues entdecken zu können, ist wunderbar.“ Wünschenswert seien mehr und breiter angelegte Förderungen für Projekte im Ausland, von Messeteilnahmen bis zu Museumsausstellungen. Oft fehle es an finanziellen Möglichkeiten, um internationale Projekte durchführen zu können.
Seinen Beweggrund sieht der Galerist darin, Künstler:innen zu entdecken, zu fördern und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen. Diese Zusammenarbeit beschreibt er als Synergie: „Wie einer meine/r meiner Künstler*innen Johannes Deutsch gerne sagt: ‚Wir (Künstler*innen) schauen nach innen und suchen neue Wege in der Kunst und Du und Ihr Galerist*innen seht nach außen und findet neue Zugänge zur Kunst‘, was doch das Ineinandergreifen und die Hebel von Kunst und Galerie ganz gut aufspannt.“