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„Remastering“ im KHM, „Museum am Puls der Zeit“ in der Albertina

Zwei neue Direktoren stellen ihr Programm vor. Ein Text von Sabine B. Vogel.

Bacchanal, Michaelina Wautier (1613/18–1689) vor 1659 Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband

Der Januar ist die Zeit der Jahrespressekonferenzen, in denen die Kunstinstitutionen das neue Programm vorstellen. Heuer fällt das in zwei großen Museen zusammen mit einem Direktionswechsel: Ralph Gleis übernimmt die Albertina und Jonathan Fine das Kunsthistorische Museum (KHM).

 

Der 1969 in den USA geborene Fine arbeitete zunächst als Rechtsanwalt, bevor er nach einem Kunstgeschichtsmuseum erst als Kurator zum Ethnologischen Museum in Berlin, dann als Direktor des Weltmuseums nach Wien kam. Jetzt ist er Generaldirektor des KHM. Sein vorgestelltes Konzept basiere auf einem „Remastering des KHM“, wie er erklärte. Auf „drei Säulen“ will er das aufbauen: das Haus soll „offen, zugänglich und exzellent“ werden – war nicht genau das schon erfolgreich unter der bisherigen Leitung von Sabine Haag?

 

´Offen´ stehe für ein Museum für alle – ein Ziel, das in nahezu allen Häusern gerade verfolgt wird. ´Zugänglich´: die bereits vorbereiteten baulichen Pläne für einen barrierefreien Zugang sollen bald umgesetzt werden. ´Exzellent´ erklärt er als „Wissenschaft im Dienst der Gesellschaft“. Damit wird auch hier ein bereits eingeschlagener Weg weiter gestärkt. Dazu gehört auch die Neuerung, mit Stipendien und Juniorkurator:innen „ein neues Karrieremodell“ aufzubauen, um „frischen Wind“ ins Haus zu bringen, wie es Fine nannte. Inhaltlich noch ausbaufähig, erfolgen wohl erst einmal strukturelle Veränderungen wie sein Plan, „aus dem Neben- ein Miteinander“ zu machen, also abteilungsübergreifende Ausstellungen zu konzipieren.Das bildet sich zwar noch nicht im Programm ab.

 

Trotzdem können wir uns schon auf „Arcimboldo – Bassano – Bruegel. Die Zeiten der Natur“ (11.3.-29.6.2025) freuen. Und auf die Personale der lange vergessenen flämischen Barockmalerin Michaelina Wautier, die 1613/18 bis 1689 lebte (30.9.2025-25.1.2026). Die zeitgenössische Kunst dagegen ist noch in den Hintergrund gerückt, soll aber irgendwann „eine Brücke zur Sammlung“ bilden, um „Fragen der Künstler der damaligen Zeit besser zu verstehen“, wie es Fine erklärt. Wir sind gespannt, auch auf die Entscheidung, wer das kuratieren wird.

Generaldirektor Jonathan Fine © KHM-Museumsverband

Auch Ralph Gleis will das Museum „neu denken“, als „Museum der Gegenwart im Dialog mit der Gesellschaft“ – ist es das nicht eh immer? 1973 in Münster geboren, arbeitete der studierte Kunsthistoriker 2009 bis 2017 als Kurator am Wien Museum und übernahm danach die Leitung der Alten Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin. Gleis spricht vom „Wissensspeicher Albertina“ und nennt es ein „Kompetenzzentrum für Kunst auf Papier“. „Hier ist Geschichte dahinter und die Zukunft verborgen.“ Daraus will er „ein Museum am Puls der Zeit“ mit „Themen von heute“ entwickeln. Gemeinsam mit dem gesamten Kurator:innenteam entwickelte er dafür seit 18 Monaten das neue Programm – was sich erfreulicherweise tatsächlich in dem Programm widerspiegelt.

 

Über 50 Vorschläge des Teams hätten sie gewälzt, erzählt Gleis. 18 Ausstellungen an 3 Standorten wurden ausgewählt. Sie wollen „aus der Sammlung heraus arbeiten“, betont Gleis, und „die Vielfalt aufrechterhalten“. Dafür setzen sie auf Themenausstellungen: „Unterwegs – Künstler auf Reisen“ (27.6.-24.8.) mit Zeichnungen und Aquarellen aus dem Haus. „True Colours“ zur Frage, wie die Farbe in die Fotografie kam (24.1.-21.4.) in der Albertina Modern am Karlsplatz oder „Faszination Papier“ (12.12.2025-8.3.2026) mit Werken der Grafischen-, Architektur- und Zeitgenossen-Sammlung vom 15. Jahrhundert bis heute im Stammhaus.

Foto © Georg Hochmuth / APA / picturedesk.com

Aber auch Personalen u.a. von Brigitte Kowanz oder Damien Hirst. Ab Mai werden Zeichnungen des britischen Künstlers als „Weltpremiere“ in der Albertina Modern am Karlsplatz präsentiert: Sein Werk entstehe mit dem Bleistift, zitiert Gleis den britischen Künstler. Ab Oktober werden Werke des US-Künstlers KAWS unter dem Thema „Art & Comics“ in Bezug gesetzt zu Zeitgenossen. In Klosterneuburg im ehemaligen Essl Museum finden vom 17.4. bis 2.11. Skulpturen ihren Ort. Geschrumpft also, wie es mal in der politischen Diskussion gefordert wurde, wird in der Albertina auch unter Ralph Gleis nichts – im Gegenteil: Der neue Generaldirektor will die sammlungsbasierte Forschung ausbauen und Gemeinschaftsprojekte lokal und international stärken. Dazu gehören auch „Kooperationsmomente mit Gastkuratoren“, wie Gleis es formuliert. Denn er will „die Strahlkraft eines der bedeutendsten Museen der Welt noch steigern“, wie er enthusiastisch betont.

Heimkehr der Herde (Herbst) Pieter Bruegel d. Ä. (um 1525/30–1569) 1565 datiert Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband
Sommer, Giuseppe Arcimboldo (1526–1593) 1563 datiert Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband
Bacchanal, Michaelina Wautier (1613/18–1689) vor 1659 Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband
Thomas Ender, Das Matterhorn vom Gornergrat gesehen, 1854, Aquarell ALBERTINA, Wien © Foto: ALBERTINA
Richard Neuhauss, Papagei, 1899, ALBERTINA, Wien © Foto: ALBERTINA
Birgit Knoechl out of control_revisited the autonomy of growth_0IV, 2006-2008/2012, Installation aus Papierausschnitten mit Tusche ALBERTINA, Wien – Erwerbung aus Mitteln der Galerienförderung des BMUKK 2012 © Birgit Knoechl / Foto: ALBERTINA