Timotheus Tomicek
Timotheus Tomicek ist ein österreichischer Künstler, Filmemacher und Fotograf. Er studierte an der Filmakademie Wien/Paris. Tomicek ist in seiner künstlerischen Tätigkeit für seine uneinheitliche medienübergreifende Arbeitsweise bekannt. Seit 2009 ist er in internationalen Ausstellungen sowie Sammlungen vertreten.
Timotheus, du bist für deine medienübergreifende Arbeit bekannt, die du selbst als „uneinheitlich“ bezeichnest. Wie beschreibst du deine künstlerische Arbeit?
Timotheus Tomicek: Es ist schwierig, jemanden meine Kunst zu beschreiben, allein schon deshalb, weil ich selbst nicht genau weiß, wo die Kunst beginnt, und wo sie endet. Wenn ich das Mittagessen koche und umrühre, so wie die Ölfarbe auf der Palette, ist das dann schon Kunst? Nein, wahrscheinlich nicht.
Jedenfalls ist meine Arbeit das Gegenteil von uniform. Das heißt, dass ich keiner Linie folge. Zumindest keiner äußerlichen Linie. Die Themen sind natürlich miteinander verbunden und können auch als Linie gesehen werden, aber es sind letztendlich Kurven, die das Thema umkreisen.
Woran arbeitest du gerade?
An „Medizin für die Welt“. Es ist ein Video in Super-Slow-Motion, in dem eine honigartige Flüssigkeit von einem Löffel tropft. Parallel dazu arbeite ich an einem Fichten-Barometer, einem Ölgemälde und an einem neuen Buch.
Erzähl uns doch bitte mehr über „Medizin für die Welt“.
Ich wollte etwas ganz Einfaches machen. Ein Löffel, ein Saft, die Schwerkraft und die Zeit. Raum, Zeit und Inhalt sind unzertrennlich, also versuche ich, sie nicht getrennt zu bearbeiten. Die technische Umsetzung ist nur Handwerk. Der Löffel wird in einem „Lichtzelt“ von hässlichen Reflexionen befreit und im 4K Videoformat aufgenommen.
Wo findest du die Inspiration für deine Arbeiten?
Überall. Hauptsächlich im Außen. Es sind die Kombinationen von (meistens) Alltagssituationen, die ein neues Thema eröffnen. Wenn man davon ausgeht, dass alles mit allem irgendwie, irgendwo zusammenhängt, dann kann man sich von jeder „Position“ zum erwünschten Ziel bewegen. Die Verirrung passiert nur durch Ablenkung, und diese Ablenkung kann manchmal sogar zu einem größeren Ziel führen.
Ich denke, dass jedes Kunstwerk an einen Zeitgeist anknüpfen muss, damit es von der Welt angenommen werden kann, auch wenn es zeitlosere Kunst gibt, die dann auch gerne Wunder genannt werden: wie zum Beispiel die Pyramiden.
Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen, sagt Aristoteles. Ein anderes Sprichwort sagt, er ist schwer – wie zum Beispiel der erste Strich auf einer weißen Leinwand. Wie beginnst du ein neues Werk?
Ich kenne die Angst vor dem leeren Papier nicht. Vielleicht liegt es an meinen Erwartungen, die nicht hoch sind, denn die „magischen“ Werke entstehen aus meiner Erfahrung heraus nur sehr selten, und auch nur dann, wenn sie selbst wollen. Ich glaube nicht, dass Kunst allein von „Können“ kommt.
Was ist deine persönliche Definition von Kunst?
„Kunst ist, wenn man’s nicht kann, denn wenn man’s kann, ist’s keine Kunst.“ Dieses Zitat ist nicht von mir, sondern von Nestroy. In jeder Definition steckt ein Stück Wahrheit, egal ob ich sie persönlich mag oder nicht. Für mich persönlich ist Kunst weder das eine noch das andere, sondern vielmehr ein glücklicher Moment, in dem etwas aufblitzt, was sonst verborgen ist. Der Künstler oder die Künstlerin hat lediglich dafür zu sorgen, dass dies möglich wird.
Hast du ein persönliches Arbeitsritual, dem du gerne folgst?
Ich beginne erst mit der Arbeit, wenn es nötig ist. Das heißt, ich warte sehr lange, bis die Dringlichkeit am Maximum ist, bevor ich den Malkasten auspacke. Ein Ritual gibt es nicht wirklich, denn ich glaube (bei der Kunst) nicht an die Wiederholung oder gar Rezepte. Ich koche auch nicht nach Rezept.
Tim, jetzt drängt sich eine Frage auf, die nichts mit Kunst zu tun hat: Verrätst du uns ein Lieblingsrezept?
Eines Tages wollte ich Palatschinken machen, aber es gab kein Ei Zuhause. Also ohne Ei, dachte ich. Dann musste ich feststellen: Es gibt auch keine Milch. Also dann auch ohne Milch! Wieviel kann man weglassen? Die Palatschinken nur mit Mehl und Wasser waren vorzüglich! Die globalste Speise überhaupt! Die Flade, Ciabatta, oder was auch immer … Aber ohne eine Briese Salz hätte es nicht funktioniert.
Was ist dir an deinem Studio besonders wichtig?
Dass das Chaos in eine verständliche Struktur kommen kann, wenn sie benötigt wird. Das Studio muss funktionell sein. Es dient nur zur Umsetzung der Themen, nicht zur Inspiration – in meinem Fall.
Die Inspiration ist eine Stimme, die man entweder hört, oder nicht, wenn man einen Raum betritt. Der Raum ist nicht nur eine Metapher, sondern real zugleich.