Malerei als Drohung
CRITIC'S PICKS FOR VIENNA ART WEEK:
Menace. Sophie Reinhold
„Menace“ – (Be-)Drohung – lautet der Titel der aktuellen Show in der Galerie Sophie Tappeiner. Zu sehen sind Arbeiten der Berliner Malerin Sophie Reinhold. Im Mittelpunkt: eine Serie von sechs großformatigen typografischen Malereien, die zusammen den Schriftzug des Ausstellungstitels – M-E-N-A-C-E – bilden. Nicht direkt bedrohlich, aber ungewohnt kühl und ein bisschen beklemmend ist analog dazu auch die Atmosphäre im Showroom der Galerie. Der Raum, für gewöhnlich offen und lichtdurchflutet, ist blickdicht mit Spiegelfolie verklebt, in der sich die Buchstabenreihe an der Wand als Spiegelschrift fortsetzt und zu einem Kreis um die:den Besucher:in schließt. Komplettiert wird das Arrangement durch zwei solitäre Werke Reinholds, das eine, „Untitled“, eine große, in kräftigen Primärfarben gehaltene Malerei im hinteren Bereich der Galerie, das andere, „Haussee“, kleinformatig und im Ton deutlich leiser, im Untergeschoss.
Hochaufragende, gemalte Lettern, die nichts Gutes verheißen – in der Kunstgeschichte ist das Motiv unter dem Namen Menetekel bekannt. Das Wort geht auf einen Mythos aus dem ersten Testament zurück, die Geschichte des babylonischen Königs Belsazar, dem – in Form eines geheimnisvollen Schriftzugs am Gemäuer seines Palasts – der Untergang seines Reichs prophezeit wird. Bei Reinhold indes ist das Menetekel leer, gegenstandslos. Auf welche Bedrohung der Schriftzug Menace verweist, was die Gefahr sein soll, die Reinholds Malereien beschwören, bleibt offen. In Frage kommen könnte Vieles. An Bedrohlichem besteht aktuell bekanntlich kein Mangel: Klimakatastrophe, Bürgerkriege, Pandemie etc. Dass es, gelinde gesagt, nicht besonders vielversprechend um die Zukunft der Menschheit steht, ist nicht erst seit Corona ein offenes Geheimnis.
Letzteres ist in der Show aber eher am Rande Thema. Im Zentrum steht – wie eigentlich immer bei Reinhold – die Erforschung der ästhetischen Möglichkeiten und Grenzen ihres Mediums, der Malerei. „Menace“ ist vor allem eine Reflexion über das Verhältnis von Malerei und Schrift. Dass es Buchstaben sind, die auf den Leinwänden der Serie im Hauptraum prangen, erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Zunächst dominiert das Landschaftliche und Figurative: Gemäuer, Wasser, Efeuranken, am Ufer die Umrisse zweier Personen etc. Assoziationen an Caspar David Friedrich, alte Kinderbuchillustrationen, aber auch an Zeitgenössisches, z.B. die Bilder Sergej Jensens, stellen sich ein. Tritt man noch näher an Reinholds Arbeiten heran, erkennt man, wie überaus delikat und technisch versiert die Oberflächen gearbeitet sind. (Reinhold ‚versiegelt‘ ihre Leinwände zunächst mit einem Gemisch aus Farbe und Marmormehl und legt dann einzelne Bereiche wieder frei.) Ein vibrierendes Durcheinander von Farbschlieren und Arabesken entfaltet sich. Zu Buchstaben formen sich die Kompositionen erst beim Zurücktreten.
Vielleicht liegt darin das Bedrohliche von Reinholds Bildern: dass es von der Malerei zum Menetekel, von der Glücks- zur Unglücksverheißung (– und zurück –) hier buchstäblich nur ein paar Schritte sind. Mit „Menace“ präsentiert Reinhold ein spleenig versponnenes Vexierspiel zwischen Ernst und Alberei, eine Einladung zum lustvollen Sich-Verzetteln im Ungewissen. Wer ihr nachgehen will, hat noch bis zum 27.11. Gelegenheit dazu.
(Maximilian Steinborn)