VIENNA ART WEEK 2023

INCITING PASSION: Wofür brennen unsere Direktor:innen? Teil 1

Hinter der Vienna Art Week steht der Trägerverein „Art Cluster Vienna“. Wir haben unsere Vereinsmitglieder gefragt, wo sie Leidenschaft in der Kunst und ihren Institutionen sehen. Hier ihre Antworten…

Der Vorstand der Vereinigung bildender Künstler*innen: Ramesch Daha, Präsidentin der Secession, und die Vorstandsmitglieder (in alphabetischer Reihenfolge) Ricarda Denzer, Barbara Kapusta, Wilfried Kühn, Ulrike Müller (nicht im Bild), Nick Oberthaler, Michael Part, Lisl Ponger, Axel Stockburger, Sophie Thun, Anna Witt (nicht im Bild) and Jun Yang, Foto: Natascha Unkart / belle & sass

Ausdruck unserer Leidenschaft ist die Kunst! Als Vorstand einer Künstler*innenvereinigung wollen wir einen offenen Ort für die kompromisslose Umsetzung von künstlerischen Ideen schaffen und eine Plattform für neue Perspektiven in der Auseinandersetzung mit komplexen Lebensrealitäten und globalen Herausforderungen bieten.

Foto: Irina Pozdorovkina

Ich erlebe unseren Umgang mit zeitgenössischer Kunst oft wie einen elitären Zirkel, dem nur Wissende angehören können. Wie von einer Panoramawarte aus wird das künstlerische Schaffen mit größtmöglicher Distanz und sprachlicher Nüchternheit betrachtet und analysiert. Sollten wir aber nicht mit mehr Leidenschaft über Kunst sprechen, das Risiko in Kauf nehmend, uns damit zu exponieren und auch angreifbar zu machen? Ist es nicht schöner, für etwas auch emotional einzustehen und das auch zu zeigen, als immer vorsichtig jedes Wort abzuwägen, zu versuchen, jede These kunsthistorisch zu untermauern und die eigenen Gedanken hinter theoretischen Exkursen und geschliffenen Satzkonstruktionen zu verschleiern? Ich sehe mich in meiner Funktion als Künstlerischer Leiter auch als Kunstvermittler. Ich brenne für eine Kunst, die mein Leben so sehr bereichert und es so lebenswert macht, dass ich diese Erfahrung mit anderen Menschen teilen möchte – in der Hoffnung, dass meine Freude, meine Leidenschaft, meine Liebe für die Kunst auf unser Publikum überspringen mögen.

Foto: Andrea Kremper ©mumok

Der Begriff Leiden-schaft in seinen zahllosen Facetten und Ausformungen spiegelt sich im aktuellen Ausstellungsprogramm des mumok wider: In Elisabeth Wilds Collagen, den fantastischen Welten, welche die Künstlerin bis ins hohe Alter von 98 Jahren täglich erneut schuf. In der leidenschaftlichen Auseinandersetzung von Adam Pendleton mit dem Begriff des Black Dada, die in Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen und Filmen ihren Ausdruck findet. In den Opferritualen und Märtyrergesten, mit denen die Vertreter des Wiener Aktionismus ihr Leiden an der Gesellschaft sichtbar machten. Oder aber im faszinierenden Werk des Künstlers Benoît Piéron, dessen künstlerische Praxis durch seine lebenslange Erfahrung mit Krankheit geprägt ist, vom medizinischen und gesellschaftlichen Umgang mit kranken Körpern, von Erfahrungen des Wartens und der Ungewissheit, von Fürsorge und Intimität.

©Ouriel Morgensztern

Jedes Jahr strömen hunderttausende Besucher*innen in das Leopold Museum und lassen sich von der Vielfalt der permanenten Wien 1900-Präsentation und den temporären Ausstellungen – in diesem Herbst jene zu Gabriele Münter und Max Oppenheimer – anregen. Anlässlich der kürzlich im Museum gezeigten Ausstellung Amazing zur Würth Collection wies der Sammler Reinhold Würth darauf hin, dass man nach einem Museumsbesuch erfreut oder nachdenklich, dankbar, vielleicht auch traurig oder ärgerlich aus einer Kunstausstellung herausgehe: „In jedem Fall werden Ihre Emotionen in einem Museum beeinflusst und verändert. Das sind dann Spuren, die im Lebenszyklus des Menschen erhalten bleiben und damit auch das Meinungsbild insgesamt prägen.“ Auch bei Rudolf Leopold war es ein Museumsbesuch, der einst die Begeisterung für Kunst in ihm entfachte. Aus dieser Initialzündung heraus entstand eine außergewöhnliche Leidenschaft, die zur Wiederentdeckung Egon Schieles führte. Diese Passion bildete das Fundament der Sammlung Leopold, die heute zu den bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt zählt.

© Stefan Oláh

Wenn Leidenschaft anregend ist, ist sie nahe an der Inspiration. Kunst inspiriert, regt an – wenn nicht zur Produktion, vielleicht zum Sammeln. Die Kraft, die in wahrer Leidenschaft steckt, treibt an und reißt mit. Diese große Energie hat die Kunst, braucht die Kunst und kann sie erzeugen – in diesem Sinne sollte man in die diesjährige Vienna Art Week eintauchen.