Ideen aus der Wiener Kreativwirtschaft
Elisabeth Noever-Ginthör ist Leiterin der Abteilung Creativity & Business in der Wirtschaftsagentur Wien.
Die Wirtschaftsagentur Wien bietet Leistungen für Kreativschaffende aus den Bereichen Architektur, Design, Filmwirtschaft, Kunstmarkt, Mode, Multimedia, Musikwirtschaft, Verlagswesen an. Zu den kostenlosen Services für die Kreativszene zählen Beratung, Vernetzung und Maßnahmen zur Sichtbarmachung der Szene. Neben der Möglichkeit, laufend bei Förderwettbewerben einzureichen, richtet die Wirtschaftsagentur Wien regelmäßig Wettbewerbe aus. Heuer hat sie beispielsweise mit dem Ideenwettbewerb Creatives for Vienna auf die Corona-Pandemie reagiert. Denn im Lockdown zeigte sich schnell das Potenzial der Kreativszene. Über Nacht entstanden neue, atypische Kooperationen, neue Businessmodelle. Mit dem Ideenwettbewerb wurde nach Ideen und Konzepten gesucht, die das Gelernte auch nach der Krise anwendbar machen. Heuer folgt noch ein weiterer Wettbewerb. Mit „Content Vienna“ werden Projekte und Prototypen von Wiener Kreativ- und Medienschaffenden im Bereich digitale Gestaltung prämiert und gefördert.
VIENNA ART WEEK spricht mit Elisabeth Noever-Ginthör, Leiterin der Abteilung Creativity & Business in der Wirtschaftsagentur Wien, über zukunftsweisende Impulse aus der Kreativwirtschaft in Zeiten von Corona und Trends im Bereich Kultur und Technologie.
Frau Noever-Ginthör, seit wann initiiert die Wirtschaftsagentur Wettbewerbe für die Kreativwirtschaft, und was ist die Idee dahinter?
Elisabeth Noever-Ginthör: Die seit 2013 ausgeschriebenen interdisziplinären Ideenwettbewerbe beschäftigen sich mit Themen, die weit über die Kreativbranche selbst hinausgehen und Themen aufgreifen, die für unsere Stadt relevant sind: Unser erster Wettbewerb war „Cycling Affairs – Smarte Ideen für Rad & Stadt“. Danach 2014 „City Hype – Die Zukunft unserer Stadt aktiv mitgestalten“, 2016 „Crafted in Vienna“ zum Thema der städtischen Produktion und 2018 haben wir uns mit „Kinder, Kinder“ das Stadtleben aus Kindersicht angesehen. Die Wettbewerbe sind für uns gedankliche Experimentierfelder und gleichzeitig so etwas wie Seismografen für aktuelle Trends in der Stadt. Das hilft uns dabei, Potenziale hier in Wien zu erkennen und mit Förderungen zu unterstützen, also möglichst am Puls der Szene zu arbeiten.
Über 700 Kreativschaffende haben beim Ideenwettbewerb „Creatives for Vienna“ eingereicht. Das ist eine beeindruckende Anzahl an Einreichungen. 240 Ideen wurden prämiert. Erzielen alle Kreativ-Wettbewerbe ein so überwältigendes Echo?
Elisabeth Noever-Ginthör: Mit „Creatives for Vienna“ haben wir auf eine Ausnahmesituation reagiert. Die Idee war, der Szene, die eben ganz wesentlich an unserer Stadtentwicklung beteiligt ist, möglichst unbürokratisch und schnell Denkgeld in diesen undenkbaren Zeiten zur Verfügung zu stellen.
Ich war wirklich beeindruckt von der unglaublichen Aktionslust und Bereitschaft, weiterzudenken und nicht in eine Starre zu verfallen – was auch nur zu verständlich gewesen wäre. Da kann man nur den Hut ziehen!
Und ja, auch die Anzahl der Einreichungen war eine Ausnahme, die wir nur durch den großen Einsatz des Teams der Wirtschaftsagentur Wien und unserer Jury bewältigen konnten.
Welche Schwerpunkte haben sich unter den eingereichten Projektideen abgezeichnet?
Elisabeth Noever-Ginthör: Das Thema, wie und ob Kunst und Kultur unter den veränderten Rahmenbedingungen stattfinden kann, war natürlich ganz zentral. Und Covid-19 hat einmal mehr deutlich gemacht, welche wichtige Rolle der öffentliche Raum für unsere Gesellschaft spielt. Vielfach wurde und musste das gesellschaftliche – und hier vor allem das kulturelle Leben – in den öffentlichen Raum verlagert werden. Livekonzerte auf leer stehenden Parkplätzen, die ins Autoradio übertragen werden; aktuelle Kinofilme, die auf Hofwände projiziert werden und inklusive Equipment und Lizenz geliefert werden; und Möbel für den öffentlichen Raum, die die Einhaltung des Mindestabstands ermöglichen, waren da nur einige der Ideen, die Lösungen für ein Leben unter neuen Voraussetzungen geboten haben.
Die Wirtschaftsagentur hat für „Creatives for Vienna” auch speziell auf die besonderen Umstände der Corona-Krise Bezug genommen. Welche Antworten auf die Alltags-Anforderungen der Corona-Krise sind dabei besonders herausgestochen?
Elisabeht Noever-Ginthör (Wirtschaftsagentur Wien): Konzepte zur Nutzung des öffentlichen Raums, der verstärkte Wunsch nach kollaborativen Arbeiten, die Etablierung und Verstärkung lokaler Produktion und das Thema des nachhaltigen Wirtschaftens waren die Hauptthemen. Darüber hinaus gab es zahlreiche spannende Einreichungen aus dem Bereich Kunstmarkt. Prämiert wurde etwa das Projekt von Cornelis van Almsick. „Fine Spaces“ nutzt virtuelle Modelle, die von Wiener Architekturbüros in Wettbewerben eingereicht, aber nicht umgesetzt wurden. Diese digitalen Architekturmodelle sollen als virtuelle Ausstellungsräume von Wiener Galerien genutzt werden können, auch um deren digitale Präsenz zu vergrößern. Darin können sie ihre aktuellen Ausstellungen digital präsentieren und somit auch mehr Sichtbarkeit für ihre Künstlerinnen und Künstler gewährleisten.
simplifiy.art von Victoria Dejaco setzt darauf, die Digitalisierung auf dem Kunstmarkt voranzutreiben. Dieser Bereich war ja bislang durch das persönliche Treffen, zum Beispiel in der Galerie, auf Kunstmessen oder auf Auktionen bestimmt. Spätestens jetzt muss auch hier ein Umdenken stattfinden. Die gratis verfügbare Smartphone-App simplify.art vereinfacht den Informationsaustausch zwischen Kunstschaffenden, Galerien, Kuratorinnen, Institutionen und Sammlern.
Wie wichtig der persönliche Austausch gerade jetzt trotzdem bleibt, zeigt der SALOON Wien. Der SALOON ist ein Netzwerk aus Frauen, die in Wien als Kuratorinnen, Künstlerinnen, Designerinnen, Kulturmanagerinnen und Journalistinnen sowie in Galerien, Museen, Kulturinstitutionen und Universitäten tätig sind. Der SALOON ist übrigens in neun weiteren Städten in Europa und Israel ansässig.
Im Herbst folgt mit „Content Vienna“ wieder ein Wettbewerb aus dem Bereich kreative digitale Gestaltung. Was sind beispielhafte digitale Trends im Kulturbereich, die sich in den letzten Wettbewerben besonders abgezeichnet haben?
In den letzten beiden Jahren haben wir uns als Reaktion auf den Trend zu Augmented und Virtual Reality im Kreativ- und Kulturbereich intensiv damit beschäftigt, inwiefern immersive Technologien den künstlerisch-kreativen Prozess, die Produktion, aber auch das Marketing und den Vertrieb von kreativen Produkten beeinflussen und verändern.
Viele Kulturinstitutionen beschäftigen sich im Zuge der Digitalisierung – und verstärkt durch die Corona-Krise – mit der Frage, wie sie innovative technologische Lösungen einsetzen können, um einerseits ihrem Auftrag im Aufführungs- und Ausstellungsbereich, Forschungs- und Dokumentationsbereich und andererseits das Kunsterlebnis der Besucherinnen noch weiter verbessern können. Wir fördern diesen wichtigen Bereich unter dem Schlagwort „Culture & Technology“ und haben bei Content Vienna dieses Jahr zu diesem Thema zwei Sonderpreise in Höhe von jeweils 5.000 Euro ausgeschrieben.
(Interview: Barbara Libert)