I sing against Monsanto
"And if I devoted my life to one of its feathers?" in der Kunsthalle Wien in Kooperation mit den Wiener Festwochen
Kuratiert von Miguel A. López
Sollte man nur wenig Zeit haben, um diese Ausstellung zu sehen, empfiehlt es sich im Untergeschoß der Kunsthalle Wien zu beginnen. Erstens könnte es sein, dass man diesen Teil übersieht – und das wäre schade – und zweitens bietet er mit starken Arbeiten einen guten Einstieg in die an Themen und Problemstellungen nicht gerade arme Show.
Ich starte mit dem hypnotischen Film „Mermaids, Mirror, Worlds“, einer Zweikanal-Filminstallation des australischen Karrabing Film Collective aus dem Jahr 2018. Die mäandernde Erzählung befasst sich anhand einer Fiktion um Kindesverschleppung virtuos und eindringlich mit den unheimlichen Folgen von Umweltverseuchung, die durch global agierende Mining-Unternehmen verursacht sind. Mit dem 26-teiligen „Abc of Racist Europe“ der peruanischen Künstlerin Daniela Ortiz präsentiert sich ein Alphabet der ungleichen Realitäten migrantischer und indigener Bevölkerungsgruppen gegenüber einer „White Supremacy“: T wie Tourist zum Beispiel listet die freie Reise (travel) privilegierter Schichten gegenüber Tausenden von erzwungenen Migrationen. Und im selben Raum befinden sich mit dem Titel „Der Geist der Mutterpflanzen“ auch zwei Wandteppiche von Olinda Silvano / Reshinjabe, in denen die Kraft traditioneller indigener Pflanzheilheilkunde gepriesen wird, die hier auch gegen eine Covid-19-Erkrankung geholfen hat.
Unter dem poetischen Titel „And if I devoted my life to one of its feathers?“ stellt die diesjährige Festwochen-Ausstellung eine Diagnose unserer Gegenwart vor dem Hintergrund von globalen Machtkonglomeraten, Umweltzerstörung und sozialer Ungerechtigkeit. Ursprünglich für 2020 vom peruanischen Kurator Miguel A. López geplant, muss sich nun ihre Ausgangssituation auch unter den Bedingungen einer Welt mit und post Corona beweisen.
Die Arbeiten der rund 35 Künstler*innen und Gruppen ranken sich dabei positiv um die Vorstellungen von Kollektivität in – nicht nur, aber vorwiegend – postkolonialen Gebieten. Indigene Traditionen werden trotz oder gegen die sozialen Verwüstungen, die durch die Folgen des Kolonialismus und des nahtlosen Übergangs zu hegemonial agierenden, ausbeuterischen Wirtschaftskonglomeraten entstanden sind, wieder aufgenommen. Das zementierende Rückgrat dieser Strukturen ist fast ausschließlich ein noch immer wirksames Patriarchat. So lauten zusammengefasst die Thesen der Ausstellung, die nicht nur durch verschiedene Kulturen sondern auch durch deren unterschiedliche künstlerische Ansätze zum Ausdruck gebracht werden
Was sich im Untergeschoß inhaltlich sowie durch die Konzentration auf die Themen Postkolonialismus, Kapitalismuskritik und Indigenität gemeinsam fassen lässt, fasert in der schwierig zu bespielenden Haupthalle im Obergeschoß hingegen zunehmend aus. Hier sind wir zwar mit eindrücklichen Arbeiten konfrontiert, aber die teilweise unmotivierte Hängung sowie die Einbeziehung von künstlerischen Positionen, die zwar für sich interessant sind, die aber vor allem auch einen lokalen Bezug herstellen sollen, wird das Thema zu weit gefasst. Die zu große Diversität an Nationen und Konflikten lässt eine beliebige Kartographie globaler Unterdrückungsmechanismen entstehen, die dem virulenten Thema kontraproduktiv ist. Und wenn ein „lokaler“ Fokus schon treibend gewesen ist, warum nicht Positionen dazu nehmen, die sich auch mit den spezifischen Problemen Lateinamerikas befassen, wie die Arbeiten der österreichischen Künstler*innen Ines Doujak oder Oliver Ressler? Zudem – und das ist vielleicht der wichtigste Punkt – fehlt eine Kontextualisierung und eine Vermittlung der Arbeiten gerade auch in ihren ästhetischen Entscheidungen. Denn die absichtsvoll gewählten Mittel, die zwischen naiver Malerei, Volkskunst, indigenen und autochthonen Techniken oszillieren, gehören ihrerseits wiederum zu einem Bereich ganz spezifischer Seinsweisen, die durch eine eigene Sprache, eigene Materialitäten und eigene Bedeutungen gekennzeichnet sind. Man würde sich wünschen, diese wären mehr vermittelt worden.
Aber man sollte sich durch den unscharfen Kontext nicht abschrecken lassen. Großartige Arbeiten wie Sheroanawe Hakihiiwes „affektives“ Pflanzenverzeichnis von Bäumen, die Früchte zum Essen liefern oder Manuel Chaways Kosmovisionen und Wissen aus der Mayaspiritualität kombinierenden Zeichnungen können entdeckt werden. Es sind Arbeiten, die sich dem oft deprimierenden Inhalt mit assoziativen Verästelungen und Verspieltheit poetisch und heroisch entgegenstellen. Dazu gehören auch Performance- und Videoarbeiten wie diejenigen von Bartolina Xixa oder Amanda Piña: Auch hier wurden fröhlich wirkende Überformungen wie karnevaleske Idiome gewählt um kolonialistische Machtverhältnisse nicht dumpf zu reproduzieren, sondern durch eigene Widerstandspraktiken erfahrbar zu machen. Wie formuliert dies Bartolina Xixa in „Ramita Seca. La Colonialidad Permanente“ tanzend auf einer Müllhalde in den Anden? „I sing against Monsanto“.