Fünf Gemälde und doch viel mehr – Die Nitsch Foundation in Wien
Von Hermann Nitschs dramaturgischen Abreaktionsmodell bis zu lebendigen Ölgemälden - Sabine B. Vogel zu Besuch in der Nitsch Foundation in Wien
Im Schaufenster liegen Scheren, Mullbinden, daneben Reagenzgläser und Pinzetten ordentlich aufgereiht auf einfachen Regalen. Dazwischen stehen Gläser mit Farbpigmenten und säuberlich beschriftete Gewürzen. Was für eine merkwürdige Mischung! Betritt man das Gassenlokal in der Hegelgasse in der Inneren Stadt, wird der Zusammenhang schnell klar: All diese Objekte sind Zutaten für Hermann Nitschs berühmtes Orgien Mysterien Theater (OMT). Nitsch nannte die meist mehrtägige Veranstaltung einmal ein „dramaturgisches Abreaktionsmodell“, bei dem er mit Fleisch, Milch und vor allem Blut, begleitet von Musik, das Sein thematisiert, Geburt, Leben, Sterben, Wiedergeburt.
Seit Nitsch 1971 Schloss Prinzendorf in Niederösterreich kaufen konnte, fanden dort die meisten OMT statt. Bis zu seinem Tod 2022 lebte und arbeitete der 1938 Geborene dort, auf dem Dachboden lagern noch Mengen seiner späten Ölgemälde: Bilder, die nicht mehr geschüttet sind wie in seinem bahnbrechenden Frühwerk, für das er weltberühmt ist. Bilder, die nicht mehr mit Blut entstanden. Stattdessen oft großformatige Werke mit stark gestisch und pastos aufgetragenen, kräftigen Farben. Fünf dieser Spätwerke hängen jetzt unter dem Titel „Lebendige Farben und sinnliche Intensität“ in den Räumen der Nitsch-Foundation. 2009 gegründet, betreibt die Foundation seither die Räume in Wiens Innenstadt.
Es ist eine kleine Schau, nicht zu vergleichen mit den großen, früher noch sorgsam von Nitsch selbst orchestrierten Präsentationen im Nitsch Museum in Mistelbach – wo übrigens bis zum 24. November noch „Jorn – Nitsch. Protestantischer Norden vs. Katholisch-barockes Weinviertel“ läuft. Die Schau in der Foundation dagegen fungiert eher als Teaser – ähnlich, wie die kleinen Objekte im Schaufenster. Zumal die Räume der Foundation nicht nur der Präsentation, sondern vor allem der Vermittlung dienen: die Bewahrung des OMT; Veröffentlichungen zu Nitschs Werk; Unterstützung von wissenschaftlichen Erforschungen; die Betreuung von Sammlern, Galeristen und Interessierten. Wer einen weiteren Einblick in das Werk sucht, kann das wenige Schritte entfernte, privat betriebene „Wiener Aktionismus Museum“ in der Weihburggasse 26 besuchen, wo ein eigener Raum nur dem Werk Nitschs gewidmet ist.