VIENNA ART WEEK 2024

FACING TIME: Wie begegnen unsere Direktor:innen der Zeit? Teil 2

Hinter der Vienna Art Week steht der Trägerverein „Art Cluster Vienna“. Wir haben unsere Vereinsmitglieder gefragt, wie sie der Zeit in der Kunst und ihren Institutionen begegnen. Hier ihre Antworten…

Foto: © Gianmaria Gava / Belvedere, Wien

Das Museum ist eine Zeitkapsel. Die Objekte unserer Sammlung stammen aus achthundert Jahren Kunstgeschichte bis in die Gegenwart. Sie geben Einblick in vergangene Epochen und lassen uns Zukunft imaginieren. Unsere Aufgabe ist es, die Kunstwerke mit dem Blick von heute auf ihre Zeitgebundenheit zu befragen und in aktuellen Ausstellungen zum Sprechen zu bringen – dabei werden politische und gesellschaftliche Veränderungen miterzählt. Und wir präsentieren zeitgenössische Kunst am Puls der Zeit.

© Foto: Katharina Gossow

Architektur ohne Ablaufdatum. In der Architektur fügte sich die tabula rasa Idee der Moderne nahtlos in die neoliberale Verwertungslogik. Spekulative Investitionen verlangen in möglichst kurzen Intervallen nach Neuem – im Baugeschehen bedeutet das oft Abriss und Neubau. Demgegenüber steht eine Kultur des Umbaus und Weiterbauens, des Reparierens und Pflegens. Eine solche Haltung schenkt den Gebäuden Zeit und erspart uns jede Menge CO2, Müll und gesichtslose Investorenarchitektur.

Foto: Karin Hackl © Wirtschaftsagentur Wien

Aus persönlichen Gründen blicke ich heuer auf 15 Jahre Kreativwirtschaft in Wien zurück. 2009, mitten in der globalen Finanzkrise, habe ich die Geschäftsführung der Wirtschaftsagentur Wien übernommen. Der damaligen Wirtschaftskrise stehen heuer nicht minder große – vielleicht sogar noch größere – Herausforderungen gegenüber. Es sind also weiterhin mutige, trotzige Anstrengungen gefragt. Die Kreativschaffenden pflegen diese Haltung und schauen stets nach vorne. Sie beweisen, dass immer die richtige Zeit ist, etwas Neues zu wagen. Stellen wir uns der Zeit, um die Uhr nach vorne zu drehen.“

© Martin Hörmandinger  

Facing time bedeutet Museumsarbeit, und vice versa: Kulturgut, künstlerische Erzeugnisse und ihre Spuren schlagen über die Zeiten hinweg eine Brücke in die Vergangenheit. Am Ursprungsort der Psychoanalyse in Wien erzählen sie vom Wirken Sigmund Freuds, vom Verlauf der österreichischen Geschichte und individuellen sowie kollektiven, bis heute prägenden Verlusterfahrungen. Diese Brücke zu beschreiten schärft vor allem auch den Blick für die Turbulenzen unserer Gegenwart und Zukunft.

Foto: Michael Nagl © Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung, Wien

In Archiven wie jenem der Friedrich Kiesler Stiftung ist die Essenz einer sich wandelnden Gesellschaft scheinbar eingefangen. Anhand der aufbewahrten Dokumente zeigt sich die Widerstandsfähigkeit und die stete Transformation von künstlerischen Ideen und Utopien über Epochen hinweg. Durch das Eintauchen in die Geschichte vertieft sich unser Verständnis für die Herausforderungen, die Erfolge aber auch für das Scheitern. Aus der Vergangenheit spannen wir den Faden der Zeit über die Gegenwart bis in die Zukunft…

©Martina Taig

Zeit ist für viele Menschen ein knappes Gut. Gerade im Alltag scheint sie meist keinen oder zu wenig Raum zu haben – wenn es sich nicht um die zahlreichen Zeitanzeigen resp. Uhren im öffentlichen Raum handelt. Und hier kann die Kunst im öffentlichen Raum mit ihren Projekten ansetzen und den Menschen Zeit zum Innehalten, zum Nachdenken und Kommunizieren verschaffen oder zumindest ein Angebot dafür machen.

Foto: Nuno Filipe Oliveira

Die Rolle der Kunst in der NITSCH FOUNDATION in Bezug auf die Bewältigung der Zeit ist vielfältig. Kunst ermöglicht es uns, uns mit vergangenen Ereignissen wie dem Tod unseres Künstlers Hermann Nitsch 2022, auseinanderzusetzen und seine Biografie zu reflektieren. Gleichzeitig kann Kunst auch dazu dienen, aktuelle Themen und Probleme anzusprechen und zur Diskussion anzuregen, was wir mit der Weiterführung des Orgien Mysterien Theaters in Prinzendorf im kommenden Jahr 2025 anstreben. Durch Kunst können wir verschiedene Perspektiven kennenlernen und neue Wege des Denkens erkunden. Sie hilft uns, Zeit auf unterschiedliche Weise wahrzunehmen und unsere Beziehung zur Zeit zu hinterfragen. Kunst eröffnet Räume für Reflexion und ermöglicht es uns, uns mit der Vergänglichkeit und dem Wandel auseinanderzusetzen. Insgesamt spielt Kunst eine wichtige Rolle dabei, uns dabei zu helfen, mit der Zeit umzugehen und sie zu verstehen.