EXHIBITIONS

Emília Rigovás Wohlfühlinseln im MUMOK

In ihrer Soloschau „Nane Oda Lavutaris/Who Will Play for Me?” im MUMOK greift die slowakische Künstlerin Emília Rigová das Thema Roma und Musik auf. Ein Text von Sabine B. Vogel.

„Zigeunerjunge, wo bist du, wo sind deine Lieder“ sang die deutsche Schlagersängerin Alexandra 1968. Der Hit war eine romantische Verklärung der Roma. Aber der Song trifft in einem Punkt auch zu: in der Bedeutung der Musik für Roma. In ihrer Soloschau „Nane Oda Lavutaris/Who Will Play for Me?” im MUMOK greift die slowakische Künstlerin Emília Rigová dieses Thema jetzt auf.

© Emília Rigová

Ohne jegliche Romantizismen geht es ihr um „das musikalische Erbe der Roma“ als „Ausdrucksform einer gesellschaftlichen Identität, die integraler Teil europäischer Kultur und widerständigen Lebens zugleich“ sei (Pressetext). In ihrem Künstler-Statement auf ihrer Website betont sie, „auf der Suche nach Authentizität bei der Erstellung meiner Kunstwerke auf meine eigenen persönlichen Erfahrungen“ zurückzugreifen. Sie verarbeite „Erfahrung visuell“. 2019 gründete sie an der Matej-Bel-Universität in Banska Bystrica das „Kabinett für Roma-Kunst und -Kultur“.

 

Für ihre Soloschau im Untergeschoß des MUMOK stellt sie drei Musikinseln mit Pianos und exotischen Grünpflanzen in den Raum. Nähert man sich den Instrumenten, lösen Bewegungsmelder eine Mechanik aus, die Melodiefragmente erklingen lassen. Daneben sind Noten und Songtexte in Grabsteine graviert. Da die Romakultur keine schriftliche Überlieferung ihrer Geschichte besitze, seien die Liedtexte eine der wenigen historischen Quellen etwa für lokale Dialekte, erklärte Rigová dazu. Die Lieder fand sie in ethnomusikologischen Archiven, jene im MUMOK stammen zwar aus der Slowakei, seien aber „transnationaler Natur“, heißt es im Pressetext. Das walachische Volkslied „Ich stehle nicht und ich betreibe keine Wahrsagerei“ wurde während der Eröffnung in den Stein gemeißelt – ein schönes Sinnbild, um eine andere Wahrnehmung von Roma zu manifestieren.

Ausstellungsansicht: Emília Rigová. Nane Oda Lavutaris / Who Will Play for Me? mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien. Photo: Klaus Pichler, © mumok

Mit ihrer Installation zielt Rigová auf die Spannung zwischen Selbstbild und Fremdbestimmung der Roma, die nicht zuletzt durch solche Songs wie jenes von Alexandra bestimmt wird. Aber kann Rigová stereotype, gesellschaftliche Vorurteile mit Musik-Inseln und Grabsteinen aufbrechen? Rigová wählte Pflanzen aus, die laut Pressetext den Herkunftsländern der Roma entstammen und „Migrationsrouten in einer imaginären Skizze“ nachzeichnen. Uns allerdings sind diese großblättrigen Pflanzen aus Amtsstuben und Hotellobbys bekannt und gelten als pflegeleicht – was als Symbol für Roma wenig sinnstiftend ist. Im Gegenteil: Diese Pflanzen erscheinen uns eher als eine Verwestlichung, eine Vereinnahmung exotischer Welten, was kaum im Sinne der Künstlerin sein kann. Auch ein Piano gehört nicht in den Assoziationsraum rund um Roma, sondern steht für Bildungsbürgertum. Sollen wir hier einen Kontrast wahrnehmen? Oder Roma in dieser gesellschaftlichen Schicht neu verorten? Warum im Raum verteilte, kleine Inseln – ein Sinnbild für die verschiedenen Roma-Gruppen? Dafür gibt es allerdings keinerlei Bestätigung in dem Arrangement. Die Herausforderung einer auf Symbolen basierenden Kunst ist die Notwendigkeit, allgemeine und möglichst unmissverständlich decodierbare Elemente zu finden. Das trifft hier aber einzig auf die Grabsteine zu. Deren Symbolik als Gedenken an Vergangenes ist verständlich, weshalb diese Elemente auch die Wohlfühlinseln irritieren. Aber reicht das aus, um nicht zuletzt durch Musikhits tief verwurzelte Klischees über Roma aufzubrechen?

Ausstellungsansicht: Emília Rigová. Nane Oda Lavutaris / Who Will Play for Me? mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien. Photo: Klaus Pichler, © mumok

 

„Die Kunst ist wie ein Mythos – weder wahr noch trügerisch – ihre Wahrnehmung und Interpretation hängt nur von unserer Perspektive ab“, schreibt Rigová in ihrem Künstler-Statement. Ein Perspektivwechsel allerdings benötigt mehr als eine auf interpretationsoffene Symbole setzende Installation.

 

Emilia Rigova, MUMOK, 8.10.2022-5.3.2023