Genie und Wahnsinn
Er hat entweder Wahnsinniges erlebt – oder er war ein genialer, kreativer Erfinder.
In der Ausstellungsreihe „Korrespondenzen der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste“ werden zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler eingeladen, sich mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts von Hieronymus Bosch (um 1450/55 – 1516) – dem Herzstück der Gemäldegalerie – auseinanderzusetzen.
In der Ausstellung „Bosch & Schlegel – Christine Schlegel: Reservate abtrünniger Engel“ zeigt die deutsche Künstlerin Christine Schlegel sechs Malereien, die als Hommage an den von ihr seit Jugendtagen verehrten niederländischen Maler entstanden sind. Aufgewachsen in der DDR, verließ Schlegel mit Hilfe einer fingierten Eheschließung das Land und ging über die Niederlande nach Westberlin. Arbeitsaufenthalte führten sie in die USA, nach Schottland und Umbrien sowie nach Südamerika. Heute lebt die vielseitige Künstlerin wieder in Dresden. Im Gespräch mit der VIENNA ART WEEK beschreibt Schlegel, wie die Bilder der aktuellen Ausstellung entstanden sind.
Wie nähert man sich dem Werk eines Malers des 15. Jahrhunderts an? Ist es Herausforderung oder Inspiration, auf seine Arbeiten Bezug zu nehmen?
Es war eine große Inspiration und Neuentdeckung, eine Lust mit Erregung neue Bilder zu kreieren.
Welche inhaltlichen oder symbolischen Eigenheiten Bosch‘ waren Ihnen wichtig, auch in Ihre Werke zu transportieren?
Ich musste inhaltlich nichts transportieren, weil die surreale metaphysische Welt Boschs meinen Bildern schon von Beginn meiner künstlerischen Arbeit an innewohnte. Im Studium entdeckte ich das Absurde der Kunst durch das willkürliche Entstehen von Collagen. Versatzstücke aus Fotos, Bildern, Zeitschriften, und real abgebildete Gegebenheiten wurden beim Neuzusammenfügen zu meinen inneren Welten. Ähnlich wie beim Collagieren, verfahre ich nicht inhaltlich, sondern nach Bildgesetzen ordnend. So näherte ich mich auch den Boschbildern. Was mir ins Auge fiel, was farblich und kompositorisch in mein Bild passte, fand Verwendung, um neu arrangiert, auf Gemeinsamkeiten hin zu weisen. Das große Bild „Das verlorene Paradies“ existierte bereits, die fünf anderen Bilder malte ich in drei Monaten.
Was gefällt Ihnen besonders an Hieronymus Bosch?
Christine Schlegel: Bosch hat entweder Wahnsinniges erlebt, wahrgenommen – oder er war ein genialer kreativer Erfinder. Beides ist für mich beachtenswert. Als ich mit 18 Jahren das große Bosch-Buch geschenkt bekam, entstand in mir eine Unruhe, wie ich sie bisher nur aus Betrachtungen und Auswertungen faschistischer Gräueltaten kannte. Die Frage: „Wozu sind Menschen fähig“, begann mich tief zu beschäftigen. Erst Biermanns-Liedtext: „Wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt drin um“ wurde zu einer Erlösung.
Das gesellschaftskritische Momentum in Boschs Arbeiten wird immer wieder betont. Wie verhält es sich zu ihrer Arbeit wie zum Beispiel den überarbeiteten Stasiakten?
Die Stasiaktenbilder sind sehr realen Ursprungs. Das Absurde darin entstand, weil die DDR an sich absurd und antagonistisch war.
Sie arbeiten mit verschiedensten Medien. Weswegen haben Sie sich dazu entschlossen für diese Ausstellung in der Gemäldegalerie auf die Malerei zurückzugreifen?
Die Malerei ist für mich immer die erste Option der Verarbeitung von Gedanken und Gefühlen. Der 35mm Kurz- Film „Apokalypso“, viele Collagen oder Fotoübermalungen wären den Korrespondenzen auch gerecht geworden. Aber es sollte keine Ausstellung meines Lebenswerkes werden, sondern auf einer 10 Meter langen Wand eine Verbeugung vor Hieronymus Bosch.
Sie arbeiten mit verschiedensten Medien. Weswegen haben Sie sich dazu entschlossen für diese Ausstellung in der Gemäldegalerie auf die Malerei zurückzugreifen?
Die Malerei ist für mich immer die erste Option der Verarbeitung von Gedanken und Gefühlen. Der 35mm Kurz- Film „Apokalypso“, viele Collagen oder Fotoübermalungen wären den Korrespondenzen auch gerecht geworden. Aber es sollte keine Ausstellung meines Lebenswerkes werden, sondern auf einer 10 Meter langen Wand eine Verbeugung vor Hieronymus Bosch.