EXHIBITIONS

Analoge Computerkunst in der Kunsthalle Wien

Computergenerierte Kunst führt seit Jahrzehnten ein Schattendasein in den Institutionen – und dies ganz besonders jene Werke, die von Künstlerinnen stammen. Das könnte sich jetzt ändern. Ein Text von Sabine B. Vogel.

Dara Birnbaum, Pop-Pop Video: Kojak/Wang, 1980, © Courtesy Dara Birnbaum and Eletrconic Arts Intermix (EAI), New York

Denn Michelle Cotton, seit Sommer 2024 Direktorin der Kunsthalle Wien, recherchierte fünf Jahre lang intensiv nach Künstlerinnen in der digitalen Kunst. Eigentlich habe es 2017 begonnen, als sie damals noch als Direktorin des Bonner Kunstvereins eine Ausstellung zur Künstlichen Intelligenz vorbereitete, erklärte sie. In den Katalogen jener Pioniere fand sie kaum Frauen – was ihr Interesse weckte. Daraus entstand ihre Ausstellung „Radical Software: Women Art & Computing 1960-1991“. Der Titel referiere auf die gleichnamige, 1970 gegründete Zeitschrift, die in der ersten Ausgabe dazu aufrief, „alternative Informationsstrukturen zu entwerfen und umzusetzen“, so der Pressetext.

Installation view Radical Software: Women, Art & Computing 1960–1991: Charlotte Johannesson, Untitled, 1981–85, Kunsthalle Wien 2025, Courtesy the artist, Hollybush Gardens, London, and Croy Nielsen, Vienna, photo: kunst-dokumentation.com

Damals noch riesige Großrechner, stand die neue Technologie anfangs nur Firmen zur Verfügung. Wenige ließen einige Arbeitsstunden lang Künstler und Künstlerinnen damit experimentieren. Die Ergebnisse, so die gängige Meinung seit Jahren, sind eher wertvoll im Sinne dessen, was die Programme ermöglichten. Die ästhetischen Aspekte dagegen seien nachrangig. Mit diesem Urteil räumt Cotton gründlich auf, und dies mit konsequent weiblichem Fokus. Nach Luxemburg läuft die Schau jetzt in der Kunsthalle Wien mit 140 Werken von 50 Künstlerinnen aus 14 Ländern. Auf den drei Etagen sind Videos, aber auch Malerei, Zeichnungen und großformatige Installationen zu sehen, die Computer „als Werkzeug oder Thema nutzen“ oder in der Methodik „rechnergestützten Prozessen“ ähneln (Pressetext).

VALIE EXPORT, Selbstportrait mit Stiege und Hochhaus, 1989, Courtesy of the artist, © Bildrecht, Wien 2025

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In fünf Kapitel unterteilt, zeigt die Schau eine beeindruckende Bandbreite: Von der für ihre Land Art-Installationen berühmten US-Künstlerin Agnes Denes stammen schwarz-weiß-Papierarbeiten (1970-71), in denen sie Texte per Computer veränderte: bei Wittgenstein ließ sie ’Schmerz‘ durch ‚Vergnügen‘ ersetzen; bei „Hamlet“ ließ Denes alle Bindewörter, Artikel und Präpositionen entfernen. Liliane Lijn, die gerade eine umfangreiche Personale im MUMOK hatte, ist mit einer ihrer kleinen „Poem Maschine“ von 1965 vertreten – was hier als „Vorwegnahme der Wechselbeziehung zwischen Maschine und Sprache sowie Computer und Code“ zu lesen sei, wie der Wandtext erklärt.

 

Isa Genzken entwickelte 1976 „mathematisch korrekte Werke“, wie sie es damals nannte: Zeichnungen geometrischer Formen, aus denen ein Tischler Holzskulpturen fertigte. Miriam Schapiro nutzte 1971 einen Computer, um Skizzen für Gemälde mit einfachen Formen zu entwickeln und Ulla Wiggen bildete in ihren Gemälden aus den Jahren 1963-69 die in Computern integrierten Schaltkreise nach. Eine lange Wand zeigt eine Vielfalt von Videoarbeiten auf kleinen Monitoren und im Untergeschoß im Vortragsraum laufen Gretchen Benders farbenfrohe, flotte und vertonte Videobilder.

 

Ob von Cyborgs inspirierte Papierarbeiten, interaktive Installatinen oder so poetisch-verspielte Objekte wie Irma Hünerfauths „Augen und Glocke“ (1970) – diese Ausstellung schreibt das Thema ‚Kunst & Computer‘ neu. Mit der öffentlichen Zugänglichkeit des World Wide Web 1991 endet die Aufarbeitung weiblicher Computer-Pioniere.

 

Radical Software: Women, Art & Computing 1960–1991

Kunsthalle Wien – MuseumsQuartier (28. Februar bis 25. Mai  2025)

Lynn Hershman Leeson, X-Ray Woman, 1966, Collection Hartwig Art Foundation, Promised gift to the Rijksdienst voor het Cultureel Erfgoed / Rijkscollectie